Waschen ohne Grenzen

Bettwäsche, Handtücher, Bademäntel, Tischwäsche und Dienstkleidung pendeln stündlich von Berlin in den kleinen Ort Nowe Czarnowo südlich von Gryfino und zurück. Die Wäsche wird zwischen der Großwäscherei Fliegel und den Vier- und Fünfsternehotels in Berlin hin- und hertransportiert. Die Wäscherei entstand direkt neben dem Kraftwerk Dolna Odra. Durch das Kühlen der Turbinen entsteht Dampf und dieser Abfallprodukt wird als Energiequelle für die Wäscherei wiederverwendet.

Vollautomatisch bewegt sich die weiße Wäsche über Förderbänder, durch Wasch- und Trockenstraßen durch die Hallen der Großwäscherei. 2500 Tonnen pro Monat. Faltmaschinen legen Frotteehandtücher auf Kante. Greifarme ziehen Bettlaken und Bettbezüge aus den Wäschebergen und reichen sie den Frauen an den überdimensionalen Mangeln an. Am Ende wird die saubere Wäsche für die Kunden wieder in Container gepackt, die sofort wieder auf die LKWs an den Rampen gerollt werden. An großen Bildschirmen können Mitarbeitende jederzeit den Prozess überwachen und steuern.

Der Betrieb wurde 1992 mit folgender Idee gegründet: Die schmutzige Hotelwäsche aus Berlin, wo der Tourismus nach der Wende zunahm, sollte innerhalb von 24 Stunden an sieben Tagen in der Woche wieder sauber im Hotel zur Verfügung stehen. Das wäre damals in Deutschland mit den gültigen Arbeitsschutzgesetzen und Regelungen zur Nacht- und Sonntagsarbeit schwer zu realisieren gewesen. In Polen war das möglich.

Mittlerweile hat der Wäschedienstleister vier Großwäschereien – zwei in Deutschland und zwei in Polen. „Der polnische Betrieb in Nowe Czarnowo war der erste und ist bis heute noch der größte“, erklärt Geschäftsführer Daniel Tarczyński. „Wir hatten in Polen immer einen Standortvorteil, aber die Arbeits- und Lebensbedingungen in Polen gleichen sich an.“ Auch die Energiekosten in Polen seien auf gleichem Niveau wie in Deutschland. Durch die Entwicklung des Mindestlohnes in Deutschland gäbe es beim Lohnniveau für den polnischen Betrieb noch immer einen kleinen Vorteil. „Auch in Polen gibt es Mindestlohn. Aber wir zahlen an unsere etwa 500 Mitarbeitenden in Nowe Czarnowo deutlich über polnischem Mindestlohn.“  Denn auch in Polen seien Arbeitskräfte mittlerweile knapp „und wir müssen schauen, dass wir genügend Arbeitskräfte finden.“ Da sich mittlerweile mehrere große Firmen in der Grenzregion angesiedelt haben, konkurriere man um Arbeitskräfte. Tarczyński erklärt, dass es aufgrund von organisatorischen und bautechnischen Maßnahmen sowie einigen Anpassungen in der Logistik gelungen sei, dass nur noch in zwei Schichten an sechs Tagen in der Woche gearbeitet wird. „Die Nachtschicht und die Arbeit am Sonntag wurde abgeschafft. Aber das Wichtigste ist, dass das soziale Angebot im Betrieb stimmt, und da bieten wir einiges.“ Der Beweis: Der Wäschereidienstleister wurde im letzten Jahr von der polnischen Arbeitsschutzbehörde als „Arbeitgeber des Jahres“ ausgezeichnet.

Tarczyński, der seit über 22 Jahren in dem Unternehmen arbeitet und aus der Region stammt, ist überzeugt, dass die Wäscherei nicht nur wirtschaftlich einen Beitrag zur Annäherung der beiden Staaten geleistet hat. „Wir ermöglichen viele Begegnungen auf fachlicher und menschlicher Ebene.“ So kämen regelmäßig Auszubildende und Mitarbeitende der Hotels zur Betriebsbesichtigung nach Polen. „Und wir organisieren ab und zu Exkursionen für unsere Mitarbeitenden in unsere Kundenhotels.“ Dieser Austausch sei enorm wichtig, um sich kennenzulernen und Verständnis für die Arbeit und die Erwartungen zu bekommen.

Noch nutzt die Wäscherei den Dampf des benachbarten Kohlekraftwerkes. „Wir wissen, dass das endlich ist. Ohne zu wissen, wann das Kraftwerk seinen Betrieb auf nicht fossile Energieträger umstellt, bereiten wir uns jetzt schon darauf vor.“  Robert Petryniak, als Betriebsdirektor zuständig für den Betrieb in Polen, erklärt, dass alles, was an Energieeinsparung möglich ist, Schritt für Schritt umgesetzt wird. In den Hallen, in denen die Wäsche bei 90 Grad gewaschen und mit heißer Luft getrocknet wird und anschließend durch riesige Mangeln läuft, ist es warm, aber nicht unerträglich heiß für die Mitarbeitenden. „Überall gibt es Anlagen zur Wärmerückgewinnung, um die Energie möglichst effizient zu nutzen“, so der Techniker.  Mittlerweile ist auch Photovoltaik auf dem Dach und man überlegt dieses auf die Fassaden auszuweiten.

„Wir denken in jedem Prozessschritt nachhaltig und sind auch gerade dabei, unseren CO2-Fußabdruck zu ermitteln“, so der Geschäftsführer. Das liege im eigenen Interesse, aber auch von den Kunden werde das immer mehr gefordert. So konnte man die Dampf- und Wassermenge pro Kilogramm Wäsche in den letzten Jahren fast auf die Hälfte reduzieren. Bei Strom ist dies nicht der Fall, da der Trend immer mehr zur Automatisierung geht und somit der Strombedarf eher steigt. „Was früher Menschen erledigt haben, machen heute Roboter und dieser Prozess ist noch lange nicht abgeschlossen“, erklärt Tarczyński. Die Arbeit werde für die Mitarbeitenden durch Roboter leichter und ergonomischer, aber auch eintöniger. Deshalb können Mitarbeitende alle paar Stunden den Arbeitsplatz wechseln. Die Wäscherei arbeitet zu 80 Prozent mit Mietwäsche, das heißt das Unternehmen kauft die Wäsche und vermietet diese an die Hotels. „Deshalb ist Einkauf und Beschaffung für uns sehr wichtig. Wir unterhalten ein eigenes Prüflabor und kaufen Made in Green Ware, die nach Ökostandards zertifiziert ist und wir kaufen Wäsche, die besonders langlebig ist.“ Je länger die Wäsche genutzt wird, umso geringer der CO2-Fußabdruck. „Deshalb versuchen wir auch immer, für aussortierte Wäschestücke noch eine Verwendung zu finden.“

Auch die Qualitätskontrolle läuft mittels Kameras automatisch ab. „Sie können je nach Qualitätsansprüchen der Kunden unterschiedlich eingestellt werden. Ein Dreisternehotel akzeptiert vielleicht noch einen winzigen Punkt auf der Bettwäsche, aber ein Fünfsternebetrieb nicht“, erklärt Petryniak. Und schnell füllt sich der LKW wieder mit Wäsche für Berlin und Hotels an der polnischen Ostseeküste. „Die Touren sind mittlerweile so optimiert, dass nur noch volle LKWs das Firmengelände verlassen“, ergänzt Tarczyński.

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