Polizeicampus ganz im Osten

Die Hochschule der Sächsischen Polizei hat ihren Sitz in Rothenburg/Oberlausitz, der östlichsten Kleinstadt Deutschlands. Pressesprecher Thomas Knaup erläutert, dass es Anfang der 90er Jahre eine politische Entscheidung war, diese Hochschule direkt an der polnischen Grenze auf einem Gelände der ehemaligen Luftstreitkräfte der Nationalen Volksarmee zu etablieren. Jährlich kommen 225 Studierende für das dreijährige Bachelorprogramm nach Rothenburg/Oberlausitz – etwa ein Drittel davon Frauen.

Der Studiengang an der Hochschule der Sächsischen Polizei steht Bewerbern aus allen EU-Staaten mit Deutschkenntnissen offen, sofern sie das Aufnahmeverfahren bestehen. „Aber der überwiegende Teil der Bewerber und Bewerberinnen kommt aus Sachsen“, so der Pressesprecher. „Werbung für das Studium in Sachsen wird in Polen und Tschechien nicht gemacht, da auch in diesen Ländern Polizeinachwuchs gebraucht wird und wir uns keine Konkurrenz um Bewerber machen wollen.“ Dafür hat die Hochschule der Sächsischen Polizei ein umfangreiches Erasmus-Programm und viele Partnerhochschulen in unterschiedlichen Ländern. Er bedauert, dass die Sprachausbildung an der Hochschule zu Gunsten anderer Fächer gekürzt wurde. Jetzt steht nur noch Englisch auf dem Stundenplan. Polnisch und Tschechisch dagegen nicht mehr. „Wenn es sein muss, arbeiten die Einsatzkräfte heute mit Google-Übersetzer.“

Nicht immer sei es leicht, Lehrpersonal sowie Professoren und Professorinnen nach Rothenburg zu bekommen. „Die Hochschule versucht, sich über Qualität zu positionieren. Eigentlich ist die Hochschule in erster Linie eine Bildungseinrichtung mit dem Ziel, Polizeinachwuchs zu gewinnen. Aber Forschung wird an der Hochschule immer wichtiger und sorgt für ein positives Image.“  Am Sächsischen Institut für Polizei und Sicherheitsforschung werden zum Beispiel Studien mit sozialwissenschaftlichem Fokus durchgeführt. Somit werde die Hochschule auch für Politikwissenschaftler oder Soziologen interessant. Ein anderer Schwerpunkt ist gegenwärtig die 3D-Tatortrekonstruktion. Damit lassen sich Tatorte virtuell sichtbar machen und sogar in Gerichtsverhandlung projizieren. Auch Cybercrime und Straftaten durch Künstliche Intelligenz seien Themen, zu denen an der Hochschule gearbeitet wird. Für Thomas Knaup, alles Belege, dass sich die Hochschule emanzipiert und nicht nur ausschließlich Lehrstoff an zukünftige Polizeibeamte vermittelt. Forschung sei auch wichtig, um den kritischen Blick von Studierenden zu schulen.

Thomas Knaup war vor seiner Zeit bei der Polizei zwölf Jahre bei der Bundeswehr. Da er sich ein anderes Arbeitsleben wünschte, bewarb er sich bei der Polizei und absolvierte selbst das Bachelorstudium. „Führung- und Lebenserfahrung hatte ich, aber die polizeilichen Inhalte musste ich lernen“, so der 46-Jährige. 

Als Polizeihauptkommissar interessiert ihn auch das polizeiliche Geschehen in der Region, auch wenn die operative Polizeiarbeit nicht zu seinem Zuständigkeitsbereich gehört. Das Dreiländereck Sachsen/Polen/Tschechien bezeichnet er als einen Hotspot der Grenzkriminalität. Als Beispiel nennt er wiederholte Kabeldiebstähle an der Bahnstrecke zwischen Görlitz und Zittau. Kupfer sei ein begehrter Rohstoff, der sich gut verkaufen lasse. Als Ursache für diese verstärkte Kriminalität im Grenzbereich sieht er die unterschiedlichen Sozialleistungen in den Ländern. „Die Menschen arrangieren sich und finden ihre eigenen Wege, sich einzurichten“, äußert er sich diplomatisch. Das sei alles verständlich, aber Polizei habe die Aufgabe, auf Einhaltung der Gesetze zu achten. Die Spur der Täter führt oft nach Polen und sogar noch weiter östlicher. Die Zusammenarbeit mit den polnischen Polizeikollegen funktioniere in der Regel sehr gut, so die Erfahrung von Knaup.

Ein anderes Thema im Grenzbereich sei das Einkaufen auf den sogenannten Polenmärkten, die sich überall an den Grenzübergängen etabliert haben. So dürfen zum Beispiel Feuerwerkskörper, die nicht nach europäischem Recht zertifiziert sind, umgangssprachlich Polenböller genannt, nicht nach Deutschland eingeführt werden. Wer diese Ware in Polen kauft und mit nach Deutschland bringt, macht sich nach dem Sprengstoffgesetz strafbar. „Das wissen viele nicht.“ Als weiteres Beispiel nennt der Polizeihauptkommissar gefälschte Markenware. Wenn der deutsche Zöllner bei einer stichprobenartigen Kontrolle feststellt, dass der angebliche Markenturnschuh ein gefälschtes Produkt ist, zieht er dieses ein.

Ein anderes Thema, das die Bundespolizei in der Grenzregion beschäftige, ist die illegale Einreise und Schleuserkriminalität. „Es vergeht beinah kein Tag, an dem nicht eine Schleusung von Menschen aufgedeckt wird“, so Knaup. Dazu werde die Region regelmäßig „bestreift“ und Schleierfahndungen, also Personenkontrollen ohne Verdacht durchgeführt.

Kurz nach meinem Gespräch mit Thomas Knaup sehe ich einen Streifenwagen der Bundespolizei direkt am Ufer der Neiße neben dem Fahrradweg. Eine Polizeibeamtin und ein Polizeibeamter (mit Fernglas) schauen konzentriert auf das Ufer. Auf meine Nachfrage antworten sie mir, dass es um illegale Migration gehe. Aber mehr Auskünfte erhalte ich nicht. Am nächsten Tag werde ich zweimal von Bundespolizisten mit Zivilfahrzeugen angehalten und gefragt, ob ich irgendwelche Personen gesehen hätte.  

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