An einem heißen Juliwochenende im Oderbruch sitzen Kinder mit ihren Eltern auf einem großen Landkartenteppich mit Polen und Deutschland im Mittelpunkt. Sie wiederholen immer wieder kleine polnische Dialoge: Cześć! Mam na imię … A ty? (Hallo! Ich heiße… Und du?) Es klappt und die Kinder sind begeistert. Sie brauchen kaum Hilfe von Natalia Mariankowska, die als Sprachanimateurin die entsprechenden Schilder mit den Sätzen hochhält. Aber die Kinder (und auch die Erwachsenen) sehen ganz nebenbei, wie die Wörter geschrieben werden.
„Bei uns geht lernen spielerisch“, erklärt Sebastian, Projektkoordinator für das nördliche Deutschland. Inspiriert wurde das Projekt u. a. vom FranceMobil, das schon seit 2002 erfolgreich durch Deutschland tourt. „Wir haben die bewährten Methoden übernommen und die deutsch-polnischen Inhalte für den Einsatz im Polenmobil erarbeitet.“ Das Wichtigste sei, dass wir nicht als Lehrkräfte auftreten und keine klassische Unterrichtssituation entsteht. „Wir begeben uns gemeinsam auf Entdeckungsreise in die Sprache, Landeskunde, Kultur etc.“
Es ist für Sebastian und Natalia ein ungewohntes Umfeld: Sie haben einen Stand bei einem Musikfestival im Oderbruch. „Hier sind viele Familien mit Kindern, die vielleicht in den Schulen von unserem Angebot erzählen“, begründet Sebastian das Angebot. Der Stand ist gut besucht. Kinder spielen Sprachdominos, die sich selbst erklären. Natalia animiert die Kinder immer wieder, einzelne Worte nachzusprechen, während Sebastian den Eltern geschichtliche Hintergründe zu Polens Position im Krieg Russlands gegen die Ukraine oder zum deutsch-polnischen Verhältnis erläutert.
Sebastian, 43 Jahre, hat Musikwissenschaften und Geschichte studiert. „Meine Begeisterung für Polen und die polnische Sprache hat sich eher zufällig ergeben. Ich beschäftigte mich am Ende meines Studiums mit deutsch-polnischen Musikbeziehungen im 20. Jahrhundert.“ Für die Recherche fuhr er nach Warschau, wo er etwa zwei Jahre lang lebte. Vorher besuchte er Lublin, eine Stadt im Osten Polens. „Polen war für mich ein weißer Fleck und Lublin fühlte sich zuerst so weit weg wie Sibirien an“, blickt er heute zurück. Ab er war sofort begeistert von Land, Sprache und Menschen, so dass er ein halbes Jahr die Sprachschule in Lublin besuchte und Polnisch lernte. Diese Begeisterung gibt er jetzt über das Polenmobil weiter. Natalia, 22 Jahre, ist zweisprachig aufgewachsen und absolviert gerade in Potsdam und Lublin einen deutsch-polnischen Studiengang zu Sprache und Kultur. Für das Polenmobil arbeitet sie neben dem Studium auf Honorarbasis.
Im letzten Jahr fuhr das Polenmobil deutschlandweit zu 183 Einsätzen, bei denen 3775 Schüler und Schülerinnen in zwei bis vierstündigen Workshops Polen und die polnische Sprache entdecken konnten. „Inzwischen sind wir so etabliert, dass die Anfragen fast ausschließlich von den Schulen kommen – oft vor Schüleraustauschen mit Polen, aber auch als Ergänzung zum Geschichtsleistungskurs oder im Rahmen von Projekttagen zu Europa, manchmal aber auch nur aus Interesse oder Neugier.“
Sebastian versucht mit dem Vorurteil aufzuräumen, dass Polnisch schwer zu lernen sei. „Wenn man das Alphabet mit 32 Buchstaben und die Aussprache der Buchstabenkombinationen beherrscht, ist die Rechtschreibung schon nicht mehr ganz so schwierig.“ Im Gegensatz zum Deutschen gibt es im Polnischen kaum Ausnahmen. Ähnlich verhält es sich laut Sebastian mit der Grammatik: Wenn man die durchgekaut hat, dann ist der Rest einfach.“ Während des Festivals zeigen Natalia und Sebastian den Kindern viele Wörter, die ganz ähnlich klingen wie im Deutschen. Das Erfolgserlebnis bleibt nicht aus: Auf Anhieb verstehen sie etwa 20 Vokabeln von apteka über muzyka bis zupa.
„Unser Ziel ist es, die Angst und Sorge vor der polnischen Sprache zu nehmen und die Kinder und Jugendlichen zu motivieren, sich mit Polen und der polnischen Sprache zu beschäftigen.“