Landwirtschaft im Einklang mit der Natur

Ludolf von Maltzan bewirtschaftet in Brodowin im Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin nord-östlich von Berlin auf 2300 Hektar den größten Demeter-Betrieb Deutschlands. Er könnte sich Großgrundbesitzer nennen. Doch das liegt ihm fern. Zu groß ist die Demut vor der Geschichte des Betriebes, der großen unternehmerischen Verantwortung, dem Respekt gegenüber Mitarbeitenden, Tieren und Pflanzen. „Wir zeigen, dass Landwirtschaft und Naturschutz, Nahrungsmittelproduktion und Artenschutz zu vereinbaren sind.“

Bevor er über sich und die aktuellen Herausforderungen des Betriebes spricht, ist es ihm ein Anliegen, zu erklären, wie das Ökodorf Brodowin entstand. Er holt aus: „Vielen Menschen in Brodowin war schon zu DDR-Zeiten bewusst, dass sie in einer einzigartigen, schützenswerten Natur leben. Auf der anderen Seite mussten sie mitansehen, wie Autorallyes durch die Natur veranstaltet wurden oder wie Flugzeuge Düngemittel und Pestizide auf die Felder brachten und manchmal nicht rechtzeitig vor den Seen stoppten.“ So wurde es Ludolf von Maltzan berichtet.  „Das hat zu einer nicht ausbalancierten Natur geführt“, drückt er sich diplomatisch aus. Am ‚Runden Tisch‘ in Brodowin formulierten Genossenschaftsbauern nach der Wende das Ziel, möglichst viele Arbeitsplätze zu erhalten und die einzigartige Natur rund um Brodowin zu schützen. So wurde die Idee und der Plan entwickelt, auf einem Teil der LPG-Flächen ökologischen Landbau nach den strengen Demeterrichtlinien zu betreiben. Zum Glück fand sich ein Unternehmerehepaar, das das Projekt mit Geld und Leidenschaft unterstützte.

Seit 2006 ist der Agraringenieur Ludolf von Maltzan Inhaber und Geschäftsführer des Demeterbetriebes Ökodorf Brodowin. „Aber das spielt keine Rolle, dass es mir gehört. Wir entscheiden im Team. Die Entstehungsgeschichte des Betriebes ist so bedeutend und der Stolz im Dorf darauf so groß, dass es ein großer Wert für mich ist, Teil dieser Geschichte zu sein.“

Mussten sich andere Ortschaften in der Region in den 1990er Jahren teilweise mit 25 Prozent Arbeitslosigkeit und mehr auseinandersetzen, so lag der Anteil der Arbeitslosen in Brodowin nie über fünf Prozent.  „Heute spielt es keine Rolle mehr, dass wir Arbeitsplätze bieten. Auch wir suchen Arbeitskräfte.“  Aber Brodowin profitiert heute noch davon, dass es nach der Wende nicht von Abwanderung betroffen war. Im Gegenteil Brodowin hatte Zuzug, und die Einwohnerzahl ist um etwa zehn Prozent auf über 450 gestiegen.

Allerdings ist die Zahl der Beschäftigten mit Beginn des Krieges in der Ukraine 2022 um ein Drittel auf derzeit etwa 140 zurückgegangen. „Das liegt an der gesunkenen Nachfrage, da alle den Gürtel enger schnallen müssen bzw. weil verständlicherweise viele Angst vor unerwarteten Kostensteigerungen haben.“  Von Maltzan ist überzeugt, dass diese Kunden, die aus finanziellen Gründen ausgeschert sind, zurückkommen werden. „Wir als Landwirte haben die Möglichkeit, aktiv Naturschutz zu betreiben. Menschen in der Stadt in einer Etagenwohnung können das nur indirekt über ihren Konsum.“ Allerdings stehe im Moment der Preis mehr im Fokus als der Naturschutz. „Wir sind überzeugt von unserer Arbeit und unseren Produkten, deshalb gehen wir unseren Weg weiter. Qualität und Naturschutz sind für uns nicht verhandelbar.“ Allerdings plant von Maltzan in Zukunft mehr Werbung und Aufklärung für die Produkte. Schon jetzt ist Brodowin ein beliebtes Ausflugsziel. Menschen können hier einkaufen, die Produkte im Restaurant genießen, in die Ställe und Produktionshallen blicken und auf verschiedenen Rundwegen um das Dorf sehen, wie Nahrungsmittelproduktion im Einklang mit der Natur aussieht. „Aber vielleicht müssen wir hier noch mehr machen – nicht nur vor Ort, sondern auch dort, wo unsere Kunden und Kundinnen leben.“

„Wenn die Nachfrage sinkt, müssen wir als Betrieb reagieren.“ Es wird weniger Gemüse angebaut und weniger Milch abgefüllt. Die überschüssige Milch geht in den konventionellen Handel mit den entsprechenden Einkommenseinbußen. „Ich möchte aber nicht das Negative in den Vordergrund stellen, sondern unsere langjährigen Allianzen mit Bäckereien, Cafés, Gastronomie und Handel betonen, auf die wir uns noch stärker konzentrieren wollen.“

Der Agraringenieur sieht große Chancen für die ökologische Landwirtschaft durch moderne Technik. „Hier geht die Entwicklung beispielsweise durch Robotik und satellitengesteuerte Traktoren sehr schnell.“ Im züchterischen Bereich dauert es allerdings lange, bis neue Sorten, die sich den verändernden Bedingungen angepasst haben, auf den Markt kommen. „Ich bin sehr technologieoffen, aber Gentechnik bei Nahrungsmitteln steht für mich nicht zur Debatte“, positioniert er sich klar.

Der Betrieb entwickelt sich ständig weiter. „Die Wunschliste, was wir alles verbessern könnten, ist lang. Hier muss man realistisch bleiben und beachten, dass wir ein Wirtschaftsbetrieb sind.“  Klimaneutralität ist ein wichtiges Thema für den Betrieb. Zwar gibt es auf den meisten Dächern PV-Anlagen, aber in der Molkerei wird noch fossile Energie verbraucht. „Das wollen wir angehen.“ Auch die Verbesserung der Böden durch Humusaufbau liegt dem Biobauern sehr am Herzen.

Wir können stolz auf das sein, was bisher erreicht wurde. „Brodowin ist mittlerweile ein Mekka für Ornithologen. Aufgrund von einer reichhaltigen Insektenpopulation haben wir auch viele insektenfressende Vögel. Der Artenschutz funktioniert und das hängt mit der ökologischen Wirtschaftsweise zusammen.“

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