Vom geteilten Park zum gemeinsamen Erbe

Ewa Johna hat einen sehr besonderen Arbeitsplatz. Ihr Büro befindet sich in der Orangerie des Muskauer Parks. Von ihrem Fenster blickt sie in die Weite des 830 Hektar großen Landschaftsparks im englischen Stil aus dem 19. Jahrhundert. Die Landschaftsarchitektin hat ihre Diplomarbeit über den Park geschrieben und ist seit 2000 Koordinatorin für deutsch-polnische Zusammenarbeit im Muskauer Park bzw. Park Mużakowski, wie er sich auf Polnisch nennt.

Fürst Hermann von Pückler-Muskau gilt als einer der genialsten Gartenarchitekten seiner Zeit. Er gestaltete den Landschaftspark ausgehend von Schloss Muskau. Zentrum des Parks ist das Flusstal mit der Lausitzer Neiße. Brücken, kleinere Bauten, bewaldete Bereiche, einzelne Baumriesen, Wege durch die weitläufigen Wiesenlandschaften, Aussichtspunkte und Sichtachsen bestimmen den Park. 1945 wurde der Park durch die deutsch-polnische Grenze in zwei Teile dividiert. Die Neiße war nun nicht mehr Gestaltungselement im Park, sondern Grenze. Ein Drittel des Parks liegt in Deutschland und zwei Drittel in Polen. In der damaligen DDR versuchte man die im Krieg zerstörten Bauten teilweise wieder aufzubauen und den Park, der mit Schützengräben durchzogen war, wieder zu rekonstruieren. Der Deutsche Teil wurde unter Denkmalschutz gestellt. Der polnische Teil wurde der Forstverwaltung unterstellt. Große Flächen verwilderten und Gestrüpp breitete sich aus. Teilweise wurden Wiesenflächen aufgeforstet. Von dem Landschaftspark war 1990 nicht mehr viel zu erkennen.

Bereits ein Jahr vor der politischen Wende begannen deutsche und polnische Denkmalpfleger, die Gesamtanlage zu rekonstruieren. 1989 nahm dieses Projekt richtig Fahrt auf, obwohl es nicht immer einfach war, da es sich um einen zweistaatlichen Park mit zwei Verwaltungen handelt. Für den deutschen Teil ist die 1993 gegründete Stiftung „Fürst-Pückler-Park Bad Muskau“, eine Einrichtung des sächsischen Finanzministeriums, zuständig und für den polnischen Teil das Nationale Institut für das kulturelle Erbe Polens (Narodowy Instytut Dziedzictwa) mit Sitz in Warschau.

Ewa Johna ist es wichtig Andrzej Michałowski zu nennen, Anfang der 1990er Jahre Direktor der polnischen Zentralbehörde für den Schutz und Erhalt von Schloss und Gartenensemble. „Er hatte die Vision, den Park Muskau als deutsch-polnische Kulturstätte auf die Liste des UNESCO-Welterbes eintragen zu lassen.“ Bis es so weit war, dauerte es noch eine Weile, aber die Motivation für dieses deutsch-polnische Projekt war auf beiden Seiten groß. 2002 reichten die deutschen und polnischen Partner einen gemeinsamen Antrag für den Muskauer Park ein. „2004 wurde der Muskauer Park – Park Mużakowski Weltkulturerbe“, berichtet Johna heute noch mit Stolz.

Die Liste der Projekte, die Johna über die Jahre betreut hat, ist lang. Wichtig sind ihr aber die Jugendprojekte, die über 20 Jahre im Park durchgeführt werden. Unter dem Motto „Arbeiten und Lernen über Grenzen“ gab es Kooperationen polnischer und deutscher Arbeitsämter, so dass junge Menschen aus beiden Staaten gemeinsam an der Restaurierung des Parks arbeiteten.

Seit dem Beitritt Polens in die Europäische Union und dem anschließenden Wegfall der Grenzkontrollen können Besucher und Besucherinnen den Park wieder als Gesamtkunstwerk erleben. Die vielen Brücken ermöglichen ein grenzenloses Erlebnis. Sichtachsen sind größtenteils wieder hergestellt.

Johna kennt die Strukturen auf polnischer und auf deutscher Seite. Die Verwaltung in Warschau ist weit weg. „Die Zusammenarbeit mit dem zuständigen polnischen Institut ist leider sehr davon abhängig, wie viel Interesse die verantwortliche Person für Bad Muskau hat. Und im Moment scheint das Interesse nicht so groß zu sein“, bedauert die Landschaftsarchitektin. Zwar gäbe es auch vor Ort, also auf polnischer Seite des Parkes, eine zuständige Person. „Aber die allgemeine Stimmungslage ist im Moment nicht so gut.“ Und es reiche eben nicht, nur über Wiesenpflege und Unkraut zu reden. „Um den Park weiterzuentwickeln, brauchen wir politische Unterstützung – von Deutschland und von Polen.“ Johna geht davon aus, dass der Muskauer Park in Warschau im Moment nicht oben auf der Prioritätenliste steht. „Wir können froh sein, dass wir schon so viel gemeinsam erreicht haben und als Vorzeigeprojekt internationaler Gartendenkmalpflege gelten.“

Johna denkt pragmatisch: „Ich habe im Laufe der Jahre so viele Netzwerke aufgebaut, dass ich mir immer Partner suchen kann, die Interesse am Park und an gemeinsamen Projekten haben.“ So initiiert sie Kunstausstellungen mit deutschen und polnischen Partnern oder Theaterinszenierungen. Und die Entwicklung des Muskauer Parks geht auch weiter. Mit der Restaurierung und Wiederbelebung des Berg- und des Badeparks sowie der ehemaligen Brauerei geht die Rekonstruktion des historischen Ensembles weiter. Es gibt immer neue Attraktionen für Interessierte am Muskauer Park. „Und ich als Koordinatorin sitze immer mit am Tisch, um die deutsch-polnische Zusammenarbeit mitzudenken. Und daraus ergeben sich oft Ideen für weitere grenzüberschreitende Projekt.“

Die deutsch-polnische Kooperation setzt sich über den Park hinweg fort, da der Muskauer Park im Zentrum des deutsch-polnischen Geoparks Muskauer Faltenbogen liegt, der durch eine hufeisenförmige Stauchendmoräne beidseits der Neiße gebildet wurde. Gleichzeitig ist dieser Geopark mit einer Fläche von 58 000 Hektar eine waldreiche Bergbaufolgelandschaft mit über 400 Restseen sowie zahlreichen Wander- und Fahrradwegen.

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