Das Paar stammt aus Stettin und lebte 20 Jahre in Schleswig-Holstein. Beide hatten Jobs im IT-Bereich. „Mit 50 bzw. 48 Jahren wollten wir uns verändern, weg von unseren Berufen und etwas Neues im deutsch-polnischen Grenzgebiet aufbauen und Brücken zwischen den Menschen bauen“, fasst Orlowski die Idee von damals zusammen. Sie hörten, dass das Gutshaus Ramin im Landkreis Vorpommern-Greifswald zum Verkauf steht. Einst als herrschaftliches Wohnhaus im 18. Jahrhundert gebaut, diente es während des Krieges als Führerschule der Hitlerjugend und danach bis 2003 als Kinderheim. Umbauten während der DDR-Zeit und auch noch nach der Wende lassen sich nicht so leicht rückgängig machen. So ist die Auffahrt zu dem einst adligen Anwesen heute aus Beton. „Wir waren trotzdem begeistert: Es liegt direkt im Grenzgebiet, nah an Stettin und rund um das Haus ist ein sieben Hektar großes Grundstück, der ehemalige Gutspark, mit vielen Möglichkeiten.“ Grenke und Orlowski entwickelten ihre Vision, ein deutsch-polnisches Begegnungszentrum zu schaffen, das Menschen aller Couleur zusammenbringt und die Region mit einem lebendigen und bunten Kultur- und Bildungsangebot bereichert. So kauften die beiden das Anwesen und gründeten den Förderverein Gutshaus Ramin.
„Wir hatten uns das damals viel einfacher vorgestellt“, so Orlowski rückblickend leicht seufzend. Eine große Herausforderung sei gewesen, sich im ländlichen Umfeld der ehemaligen DDR zurechtzufinden. „Wir wurden mit unserer Vision, hier Kultur anbieten zu wollen, teilweise ausgelacht. Wenige im Dorf haben daran geglaubt, dass wir bleiben würden. Wir fühlten uns toleriert, aber nicht akzeptiert.“ Als zweites Problem nennt Orlowski das fehlende Geld. Das Paar entwickelte ein Konzept, beauftragte einen Architekten, Umbau- und Restaurierungspläne zu entwickeln und beantragte einen Kredit. Es kam die Finanzkrise und alle Banken zogen sich zurück. Dann stellten sie einen Förderantrag für ihre Vorhaben. Der Antrag wurde abgelehnt. Begründung: „Wir hatten angegeben, dass eine Million Menschen in unserem Einzugsgebiet leben, da wir das 20 Kilometer entfernte Stettin dazuzählten. Die zuständige Behörde, die den Antrag bearbeitete, rechnete aber nur die Einwohner der dünn besiedelten Region auf deutscher Seite. Das war ein Tiefschlag für uns.“
Grenke und Orlowski entschieden sich, wieder arbeiten zugehen. „Wir hatten eigentlich keine andere Wahl, denn wir wollten das Haus nicht wieder verkaufen.“ Grenke arbeitete zunächst in Pasewalk und dann in Hamburg. Orlowski entwickelte Projekte für einen Investor in Polen. „So haben wir in dem Haus gewohnt, schrittweise renoviert und immer zwischendurch kleine Veranstaltungen wie Konzerte, Lesungen oder Tangoabend organisiert.“ Grenke blickt zufrieden auf das Eichenparkett: „Es ist der Originalfußboden, der mit Linoleum und einer dicken Schicht Kleber abgedeckt war. Wir spachtelten Quadratmeter für Quadratmeter ab.“
Auf der Suche nach einer Möglichkeit, sich selbstständig zu machen, entdeckte Grenke, wie viele Wildkräuter auf ihrem sieben Hektar großen Grundstück wachsen. Sie machte eine Ausbildung als Heilkräuterexpertin und zertifizierte Coachin für Selbstversorgung mit essbaren Wildpflanzen. Sie gründete das Unternehmen ‚Wildkräuter Gutshaus Ramin‘, richtete sich eine Kräuterküche und -werkstatt im Gutshaus ein und baute einen Onlineshop auf. Heute bietet sie zusätzlich Kräuterwanderungen und -seminare an. „Mitten in diese Gründungsphase kam Corona.“ Ein weiterer Tiefschlag. „Aber rückblickend war es für uns gut. Ich konnte mein Unternehmen aufbauen und ausbauen und wir hatten viel Zeit zum Renovieren.“
Mittlerweile ist das Haus gut ausgebucht. „Wir haben das ganze Jahr über Veranstaltungen, Workshops, Freizeiten, Familienfeiern, Kunstausstellungen oder Konzerte. Und das meiste ist zwei- oder mehrsprachig“, resümieren Grenke und Orlowski zufrieden. „Heute sind wir eine Marke, die in der Region bekannt und anerkannt ist.“
Aber ein großes Ziel haben die beiden noch: „Wir wollten immer ein nachhaltiges Projekt entwickeln, das auch ohne uns weiterläuft. Bei dem Förderverein ist es uns schon gelungen, dass jüngere Leute Verantwortung übernehmen. Jetzt müssen wir noch einen Weg finden, dass auch das Gutshaus als Ort der Begegnung weiter funktioniert, wenn unsere Kräfte nachlassen.“