Wenn Karpfen nach Luft schnappen

Andre Schneider ist Fischer an der Oder in der sechsten Generation. Der traditionelle Familienbetrieb liegt etwas weiter südlich an der Oder. „Da der Betrieb für zwei Brüder mit Familien zu klein war, entschied mein Vater, einen eigenen, neuen Betrieb zu gründen.“ Andre war 17 Jahre alt, als die Familie nach Kuhbrücke in der Gemeinde Küstriner Vorland zog und einen neuen Betrieb aufbaute. Seitdem hat sich viel getan. „Wir sind kein traditioneller Fischereibetrieb mehr, sondern haben den Bereich Tourismus immer mehr ausgebaut.“

Der Betrieb liegt direkt hinter dem Deich, der Oderradweg geht am Haus vorbei, die Oderwiesen laden zum Verweilen ein. Zwei Familien leben, arbeiten und wirtschaften hier gemeinsam. „Wir haben viel aufgebaut – Pension für Angler und Radfahrer, Campingplatz, Gastronomie und einen Fischverkaufswagen“, zeigt sich der 39-Jährige zufrieden. Trotz der Katastrophe im letzten Jahr gibt er sich zuversichtlich, dass es weiter geht. „Es gibt wieder Fische in der Oder, so dass ich hoffe, dass sich der Fluss und die Fischbestände wieder erholen.“ Er erklärt: Im Frühjahr waren alle Oderwiesen überschwemmt, so dass alle Fische laichen konnten.“ Trotzdem fährt Schneider im Moment nicht zum Fischen auf den Fluss. „Wir Berufsfischer haben vereinbart und uns selbst verpflichtet, dass wir warten, bis sich die Fischbestände wieder erholt haben. Vielleicht fahre ich im Herbst wieder raus.“  Schneider ist froh, dass alle Oder-Fischarten wieder nachgewiesen werden konnten. „Die Angler fangen auch schon wieder Fische.“ Er versichert: „Die Fischqualität ist in Ordnung.“

Die Erlebnisse rund um das Fischsterben waren für den gelernten Fischwirt dramatisch. „Ich habe geholfen, tote Fische aus dem Wasser zu holen. Ich saß am Fluss und habe riesige Karpfen gesehen, die mit offenem Maul angeschwommen kamen. Es sah aus, als ob sie um Hilfe riefen. Die Bilder, die ich vom Fischsterben im Kopf und auf dem Handy habe, machen mich noch heute fassungslos.“

Die Oder ist für ihn als Fischer nicht nur traditionelle Lebensgrundlage, er genießt die Oder auch in seiner Freizeit. Er erzählt, dass er jeden Morgen im Fluss schwimmt. Auch längere und kürzere Radtouren entlang der Oder genießt er in seiner Freizeit. Für einen eventuellen Oderausbau hat er kein Verständnis. „Unser Fluss ist für die Schifffahrt gar nicht geeignet, da es viel zu wenig Wasser gibt. Daran ändert auch ein Ausbau nichts. Lassen wir doch die Oder so wie sie ist. Sie gehört zu den natürlichsten Flüssen in Europa. Das soll sie auch bleiben.“  

Schneider hat schon vor dem großen Fischsterben Fisch beim Großhandel zugekauft – entweder weil die Menge nicht reichte oder weil Gäste auch andere Fische wünschten. „Unsere Oderfische sind sehr grätenhaltig. Deshalb bieten wir in unserem Fischimbiss auch immer Alternativen wie zum Beispiel Rotbarsch oder Heilbutt als Meeresfische oder Karpfen aus der Teichwirtschaft in der Uckermark an.“ Schneider hofft, dass es so ein Fischsterben nicht mehr gibt, denn er möchte auch in Zukunft als Fischer arbeiten, ab und zu rausfahren und Wels, Zander, Schleie, Blei (Brasse) oder Karpfen fischen. Und die Gäste, die in seiner Pension übernachten oder die Gastronomie am Deich genießen, kommen auch nur wegen der Oder. „Mit Beginn des Fischsterbens im letzten Sommer kamen keine Touristen mehr zu uns. In diesem Jahr läuft es wieder.“

„Wir haben in den letzten Jahren hier einige Krisen durchgemacht und überlebt: Corona, die afrikanische Schweinepest und dann das Fischsterben im letzten Jahr. Das brauchen wir nicht mehr. Wir wollen doch nur als Fischer an der Oder für unsere Gäste da sein.“

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