Die Grenze

Die deutsch-polnische Grenzregion entlang der Flüsse Oder und Neiße hat eine historische Bedeutung, die aus den Folgen des Zweiten Weltkriegs resultiert. Heute sind Deutschland und Polen enge Partner als EU-Mitglieder und Nato-Verbündete, und die Region bietet eine einzigartige kulturelle Vielfalt.

Deutschland und Polen haben 469 Kilometer gemeinsame Grenze überwiegend entlang der Flüsse Oder und Neiße. Diese Grenze ist keine historische Grenze, sondern eine Folge des Zweiten Weltkrieges. Deutschland musste nach den schrecklichen Verbrechen während des Zweiten Weltkriegs Gebiete abtreten. Polen wurde nach Westen verschoben. Oder und Neiße wurden zu Grenzflüssen und bildeten zunächst die Grenze Polens zur Deutschen Demokratischen Republik und nach der Wiedervereinigung die Grenze zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Polen. Millionen von Menschen – Polen wie Deutsche – waren nach dem zweiten Weltkrieg heimatvertrieben oder wurden umgesiedelt. Sie mussten versuchen, eine neue Heimat zu finden und sich ein neues Zuhause aufbauen. Die Oder-Neiße-Grenze zu finden und zu akzeptieren. Die Oder-Neiße-Grenze entwurzelte und trennte Familien, zerschnitt Kultur- und Naturräume, teilte Städte, kappte Straßen und Eisenbahnverbindungen.  Es entstanden tiefe Wunden, die sich in Seelen und Familien gebrannt haben und Völker über Jahrzehnte trennte.

Deutschland und Polen sind heute als EU-Mitglieder und Nato-Partner eng miteinander verflochten. 2007 ist Polen dem Schengen-Raum beigetreten, so dass freies Reisen zwischen beiden Ländern Alltag ist. Viele polnische Staatsbürger oder Menschen mit polnischen Wurzeln leben und arbeiten in Deutschland. Menschen mit deutschen Wurzeln leben in Polen. Es gibt deutsche und polnische Berufspendler, Touristen und Kulturinteressierte, die regelmäßig die Oder-Neiße-Grenze passieren.

Über 30 Jahre alt ist der Vertrag zwischen Deutschland und Polen über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit. Die Menschen aus beiden Ländern sind hier einen weiten Weg gegangen. Gute Beziehungen zwischen Ländern entstehen nicht nur durch Zusammenarbeit auf politischer Ebene. Freundschaften zwischen Ländern entstehen nicht nur durch Kontakte zwischen Menschen in den jeweiligen Hauptstädten oder Metropolen. Zwischen Berlin und Warschau, zwischen Krakau und Bonn liegen europäische Regionen und das deutsch-polnische Grenzgebiet. Für beide Völker bedeutet diese Grenze eine Zäsur in ihrer Geschichte. Städte und Dörfer östlich von Oder und Neiße haben eine deutsche Geschichte und eine polnische Geschichte. Eine gemeinsame Geschichte und eine grenzüberschreitende Erinnerungskultur gibt es nicht. 

Bereits 1950 erkannte die DDR die Oder-Neiße-Linie als deutsch-polnische Staatsgrenze an. Man sprach von der Oder-Neiße-Friedensgrenze. Die BRD erkannte die Oder-Neiße-Linie erst 1970 als Westgrenze Polens an. Bis dahin gab es bei einzelnen Familien, die aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten vertrieben wurden, vielleicht immer noch einen Funken Hoffnung, dass sie eines Tages in ihre alte Heimat zurück könnten. Bei den Menschen in Polen, die in den Städten, Dörfern und Häusern lebten, die bis 1945 Deutschen gehörte, schwang lange Angst mit, dass sie diese neue Heimat vielleicht noch einmal verlassen müssten. Auch das ist mittlerweile Geschichte: Mit dem 2+4-Vertrag im Zuge der deutschen Wiedervereinigung wurde die Oder-Neisse-Grenze endgültig anerkannt.

Die Oder-Neiße-Grenze zwischen Polen und der DDR war zwar eine Grenze zwischen befreundeten Staaten, trotzdem war sie über viele Jahre nur beschränkt passierbar. Das veränderte sich ab 1972 als die Grenzen zwischen Polen und DDR geöffnet wurden. Es kam zur Annäherung zwischen beiden Ländern und zu grenzüberschreitenden Projekten im Bereich Kultur und Wirtschaft. Allerdings wurde auf Wunsch der DDR-Behörden der visafreie Personenverkehr 1980 wieder eingestellt. Grund war die Solidarność-Bewegung und das gleichzeitige Streben nach Freiheit und Demokratie in Polen. Seit der Wiedervereinigung 1990 ist die Oder-Neiße-Grenze die Ostgrenze des wiedervereinigten Deutschlands. Direkt nach dem Fall des Eisernen Vorhangs Anfang der 90er Jahre begann die intensive Zusammenarbeit der Kommunen über Landesgrenzen hinweg. Grundlage dafür war die Bildung von vier grenzüberschreitenden Euroregionen. Auf beiden Seiten von Oder und Neiße entwickelt sich ein deutsch-polnischer Verflechtungsraum, der von den Flüssen Oder und Neiße, aber vor allem von den Menschen, die hier leben, geprägt ist. 

Beiträge aus meinem Blog

Das Cover ist fertig

Mein Buch zu meiner journalistischen Reise mit dem Fahrrad an der deutsch-polnischen Grenze in diesem Sommer ist in Arbeit. Der Verlag Andreas Reiffer hat den

Weiterlesen »

Ein Ort zum Geschichten Sammeln

Monika Szymanik sammelt Geschichten. „Und es kommen immer mehr Geschichten auf mich zu“, so die 47-Jährige in ihrem kleinen Café in der Stettiner Altstadt. „Zuerst habe ich mich nur in den Fußboden verliebt und hätte mir nie träumen lassen, welche Schätze hier verborgen sind. Und jetzt ist dieser Ort mein Leben, in dem ich alles verbinden kann, was mir wichtig ist: Bücher, Kaffee, Begegnungen mit Menschen und deren Geschichten.

Weiterlesen »

Spitzenforschung in Görlitz

In Görlitz am Untermarkt sitzen Wissenschaftler*innen aus aller Welt zusammen und arbeiten interdisziplinär an aktuellen globalen Herausforderungen. „Wir arbeiten mit Datenbanken und haben Zugriff auf die schnellsten Supercomputer der Welt, aber wir sind kein reines IT-Institut“, stellt Dr. Michael Bussmann, Gründungsbeauftrager des Casus in Görlitz klar. CASUS steht für Center for Advanced Systems Understanding. Das Zentrum für datenintensive Systemforschung wurde nach einer Projektphase 2022 als polnisch-deutsches Forschungszentrum in Görlitz gegründet. Gearbeitet wird an Fragen aus Physik, Biologie, Medizin, Krebsforschung, Management von Pandemien oder Klimawandel.

Weiterlesen »
WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner